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Gastbeitrag: Klimawandel, Welthandel und Entwicklungszusammenarbeit

Dr. Jürgen Wiemann, GTZ – Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

Der unkontrollierte Ölfluss in den Golf von Mexiko verdrängt den Klimawandel von der internationalen Tagesordnung. Präsident Obama ruft seinen Landsleuten eine unbequeme Wahrheit ins Gedächtnis zurück: Die Weltölreserven sind endlich, und die Menschheit wird sich auf einen sparsamen Umgang mit fossilen Energieträgern einstellen müssen.

Ein langfristiger Preisanstieg auf dem Weltölmarkt wird den Verteilungskonflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zuspitzen. Wenn die Tragfähigkeit des „Raumschiffs Erde“ sowohl von den Ressourcen her wie von der Aufnahmefähigkeit der Ökosysteme für die Abfälle und Abgase der industriellen Zivilisation bereits heute überdehnt ist, stellt sich die Frage, wie die notwendigen Einschränkungen beim materiellen Lebensstandard zwischen den alten Industrieländern und den aufstrebenden Schwellenländern verteilt werden. Nur wenn der technische Fortschritt schnell genug genau die Minderung des weltweiten Verbrauchs fossiler Brennstoffe erlaubt, die zur Abwendung einer nicht mehr beherrschbaren Erderwärmung notwendig wäre, ließe sich beides vereinbaren – die Angleichung des Lebensstandards der Schwellenländer und der alten Industrieländer mit der Vermeidung der globaler Umweltkatastrophen. Ob dies möglich sein wird, kann niemand vorhersagen, auf jeden Fall muss das Wachstum der Weltwirtschaft so schnell wie möglich vom Verbrauch fossiler Energien abgekoppelt werden.

Wenn die Schwellenländer und die übrigen Entwicklungsländer dabei nicht mitziehen, ist das Klima nicht zu retten, und die Ölreserven könnten schneller zur Neige gehen, als alternative Energien an ihre Stelle treten. Der Fehlschlag des Klimagipfels in Kopenhagen im Dezember 2009 hat aller Welt vor Augen ge¬führt, wie schwierig und womöglich ganz aussichtslos es ist, einen Kompromiss zwischen Nord und Süd auszuhandeln.

Für eine wirksame Klimapolitik müssen beide Seiten aufeinander zugehen. Dabei kommt der Entwicklungspolitik eine Schlüsselrolle zu, die allerdings durch die Sparzwänge, denen die Staatshaushalte in den Geberländern unterliegen, in Frage gestellt wird. Mit dem Angebot umfassender und effektiver Zusammenarbeit bei der Vorbereitung der Partnerländer auf die Umsetzung nationaler Minderungsziele und anderer Verpflichtungen aus dem noch zu schließenden Klimaabkommen kann die Entwicklungspolitik den zögernden Entwicklungsländern den Beitritt erleichtern. Die größte Herausforderung wird sein, Länder wie China und Indien dazu zu bewegen, ihr industrielles Wachstum früh¬zeitig vom Verbrauch fossiler Energien abzukoppeln. Das wird umso leichter fallen, je überzeugendere Technologien für Energieeinsparung und alternative Ener¬gien als Ersatz für die fossilen Energien angeboten werden. Daher ist es so wichtig, dass die Industrieländer mit gutem Beispiel vorangehen.

Daneben kann die Entwicklungszusammenarbeit die Partnerländer dabei unterstützen, die Entwaldung ihrer Tropenwälder einzudämmen (Entwaldung trägt immerhin ein Fünftel zur Treibhausgasakkumulation in der Atmosphäre bei).

Dennoch wird sich der Klimawandel allenfalls verlangsamen, aber nicht ganz vermeiden lassen. Ausgerechnet die ärmsten Länder, die am wenigsten dafür verantwortlich sind, werden von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen sein. Daher stehen die Industrieländer in der Verantwortung, gerade den ärmeren Ländern umfassende Hilfe zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu gewähren.

Die Herausforderungen des Klimawandels können nur im Rahmen einer offenen Welthandelsordnung gemeistert werden können. Am Beispiel Chinas, Indiens und anderer Schwellenländer lässt sich erkennen, welche Chancen der Strategiewechsel von einer binnenorientierten Entwicklungsstrategie zur Handelsliberalisierung und weltwirtschaftlichen Öffnung mit sich bringt. Erst die damit eingeleitete Verringerung des Einkommensabstands zu den alten Industrieländern schafft die gesellschaftlichen (geschärftes Umweltbewusstsein der Mittelschichten), wirtschaftlichen (Staatsausgaben für Umweltschutz) und technischen (Energietechnologien) Voraussetzungen dafür, dass auch die Schwellenländer einen ihrem zunehmenden weltwirtschaftlichen Gewicht entsprechenden Beitrag zu Eindämmung des Klimawandels leisten wollen und leisten können.

Freier Welthandel und internationaler Wettbewerb treiben den technischen Fortschritt an. Durch klimafreundliche Rahmenbedingungen (z.B. Besteuerung fossiler Energien) kann er in Richtung energiesparender Technologien und erneuerbarer Energien gelenkt werden, die wiederum in einer offenen Welthandelsordnung die klimapolitisch gebotene schnelle internationale Verbreitung und Anwendung finden. Außerdem werden sich die Folgewirkungen des Klimawandels nur mit offenen Weltmärkten bewältigen lassen. Das gilt besonders für den marktwirtschaftlichen Ausgleich zwischen landwirtschaftlichen Defizit- und Überschussregionen infolge der Verschiebung der Vegetationszonen und der zu erwartenden Ernteausfälle durch Extremwetterlagen.     

Zur Bewältigung der globalen Herausforderungen müssen Handelspolitik und Entwicklungspolitik komplementär zusammenwirken. Die Entwicklungspolitik kann die Handelspolitik entlasten, indem sie die Partnerländer an die international geltenden und die noch zu vereinbarenden Umwelt- und Sozialstandards heranführt und die frühzeitige Verwendung regenerativer Energien und Energieeinsparmaßnahmen fördert. Die Handels-politik kann mit ihrem Instrumentarium die Umsteuerung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Partnerländern in Richtung low-carbon economy unterstützen,  z.B. mit Präferenzen für entsprechende Exportprodukte, Anreizen für Investitionen in Energiespartechnologien, sie kann aber auch mit Handelsbeschränkungen klimaschädliche Praktiken anderer Länder bekämpfen (z.B. Importverbot für illegal eingeschlagenes Holz und daraus hergestellte Holzprodukte).